Der Komponist und Arzt Dr. Josip Ipavic (1873-
1921) trat in die slowenische Kulturgeschichte als
Autor des ersten slowenischen Baletts "Der Hampelmann" (Možiček, 1901) sowie zahlreicher hochromantischer Sologesänge ein. Der literarische Wert
der Texte hatte für ihn sekundäre Bedeutung, er
suchte vielmehr Texte, die seiner Stimmungslage
entsprachen. Besonders liebte er balladenhafte und
elegische Stimmungen. Ipavic machte sich mit seinen
Sologesängen vor allem im deutschen Kulturraum
einen Namen, in Graz und Wien, aber auch im
weiteren Europa, wurde jedoch bald vergessen, weil
seine Lieder nicht gedruckt wurden. Sein Werk
schätzten seinerzeit auch so namhafte Musiker wie
Alexander Zemlinsky, Oskar Nedbal, Wilhelm
Kienzl und Leos Janaček.
Von 1905 bis 1910 schrieb Josip Ipavic seine umfangreichste Partitur, die Oper "Prinzeß Tollkopf'
(Princesa Vrtoglavka) auf das Libretto der damals
bekannten Schriftstellerin Mara von Berks (geb.
Cop). Sie verwendete für das Libretto-Genre eine für
das Fin de siede überraschend moderne Dramaturgie
unerwarteter Schnitte, wie sie etwa in der
"Versuchung des Hl. Antonius" von Gustave Flaubert
anzutreffen ist (aus diesem Werk wurde die Szene
der Sphinx und der Schimäre in die "Prinzeß
Tollkopf' übernommen). Auch sonst strebte der Text
eine "Hypermodemität" an (vor allem eine Allusion
an die Dekadenten!), doch das Werk enthielt einfach
zu viele Innovationen, um auf einer Opembühne aufgeführt werden zu können, auf der man vor dem Ersten Weltkrieg an Konventionen festhielt. Trotzdem zollten viele der Musik Lob (Ipavic wandte sich
nämlich an mehrere namhafte Kenner um Hilfe;
einige beschuldigten Oskar Nedbal des teilweisen
Plagiats der "Prinzeß Tollkopf', was noch zu untersuchen wäre!). Die Grazer Deutschen erwiesen Josip
Ipavic sogar Ehre mit dem Beinamen "slowenischer
Mozart".
Wegen Anfällen einer unheilbaren Krankheit
hörte Ipavic vor dem Ersten Welkrieg wahrscheinlich
ganz bewußt mit dem Komponieren auf (damit
niemand seine Musik mit den pathologischen Prozessen in seiner Persönlichkeit in Verbindung bringen
sollte; dennoch wurden in der slowenischen Öffentlichkeit später auch solche durchaus unbegründeten
Vorwürfe hörbar). Er stand damit im völligen Gegensatz zu seinem untersteirischen Landsmarin Hugo
Wolf, der auch nach Ausbruch seiner unheilbaren
Krankheit fieberhaft weiterkomponierte. Kurz vor
Beginn des Ersten Weltkriegs setzte sich - durch die
Vermittlung von Emerik Beran - Leos Janaček
persönlich ein für die Aufführung der "Prinzeß
Tollkopf' in Brünn, doch verhinderte das verhängnisvolle Attentat von Sarajewo die vielversprechenden Pläne.
Josip starb unbeachtet und vergessen im Jahre
1921, der einzige Nekrolog stammte aus der Feder der
Grazer Deutschen. Für die Slowenen ging ein Teil
seines kostbaren Erbes wegen der Geringschätzung
echter Kulturwerte für immer verloren.